Über die Gitarre

Die Gitarre begegnet uns an vielen Orten, wo Musik gemacht wird. Sie ist beim Straßenmusikanten zu finden, der seinen Gesang begleitet oder sich manchmal auch an anspruchsvoller Gitarrenmusik versucht. Auch in klassischen Konzerten, in Recitals, in kammermusikalischen Besetzungen und im Zusammenspiel als Soloinstrument mit einem Orchester kann sie uns begegnen.

Die Fähigkeiten von Gitarrenspielern reichen vom Greifen weniger Akkorde bis zu einem erstaunlichen Virtuosentum, welches sogar Kenner der Gitarre immer wieder überrascht und beeindruckt. In beiden Fällen ist es schwer, sich dem Zauber ihres Klanges zu entziehen, wenn sie gut gespielt wird. In ihren verschiedenen Erscheinungsformen wie z.B. klassischer, Flamenco-, Western- oder Elektrogitarre ist sie in allen musikalischen Stilrichtungen einsetzbar und auch vertreten. Diese außerordentliche Vielseitigkeit ist sicher ein Anreiz für viele Musikliebhaber, das Spiel gerade dieses Instrumentes zu erlernen. Hinzu kommt im Vergleich mit anderen Instrumenten ihre Preisgünstigkeit. Für ca. 200 € kann man schon eine gute Anfängergitarre für Kinder, und für einige tausend Euro eine hervorragende, von einem Gitarrenbaumeister von Hand gefertigte Solistengitarre erwerben. Nicht zuletzt ist die Gitarre ein Instrument, das sich leicht und sicher transportieren lässt und so an jedem Ort problemlos eingesetzt werden kann.  

Die Faszination, die die Gitarre auf mich persönlich ausübt, und die, was erstaunlich ist, auch nach vielen Jahren der Beschäftigung mit ihr immer noch mehr statt weniger wird, liegt in dem großen Kontrast zwischen ihrer offensichtlichen Primitivität und den außerordentlichen Ausdrucksmöglichkeiten, die sie mir als Musizierendem bietet. Ihre Einfachheit zeigt sich in ihren wenigen Saiten, deren Schwingung ein relativ kleiner Resonanzkörper an uns weitergibt, der gleichzeitig dazu dient das Instrument zu halten. Dadurch, dass der Spieler  ohne jede Hilfsmittel mit den Fingern der rechten Hand die Saiten anschlägt, die schwingenden Saiten mit den Fingern der linken Hand verkürzt, den entstandenen Ton durch Vibrato gestalten und verlängern kann, und durch die Art, wie und wo er die Saiten anschlägt, verschiedene Klangfarben erzeugt, wird er  zum Teil des Instrumentes und dieses zu einem Teil von ihm. Keine zusätzlichen Hilfsmittel wie z.B. der Bogen bei den Streichern, die komplizierte Mechanik eines Klaviers oder gar elektronische Hilfen trennen Spieler und Instrument voneinander. Künstler und Instrument  werden also gerade wegen der Primitivität der Gitarre zu einer besonders intensiven Einheit, und diese zu einem zusätzlichen Organ, mir dem er sich ausdrücken kann.

Ein weiterer Reiz der Gitarre liegt für mich nicht nur  in ihr selbst, sondern in ihrer uns zur Verfügung stehenden Literatur. Der Gitarrist kann auf ein Repertoire zurückgreifen, das ihm die letzten fünfhundert Jahre Musikgeschichte lückenlos erschließt. Von den ersten Lauten- und Vihuelastücken der Jahrhundertwende des 15. zum 16. Jahrhundert, die auf der Gitarre hervorragend spielbar sind, über ein großes Repertoire der klassisch- romantischen Literatur bis zu zeitgenössischen Autoren wie Leo Brouwer und Roland Dyens kann er sich auf eine Zeitreise begeben, die ihn die Entwicklung der Komposition durch die verschiedenen Epochen erfahren lässt.

Hinzu kommt der beeindruckende Reichtum der spanischen und südamerikanischen folkloristischen Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, der dem Gitarristen zur Verfügung steht, und die vielen Möglichkeiten, Ausflüge in die Pop-, Rock- und Jazzmusik unserer Zeit zu machen.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Gitarre ein ganzes Leben begleiten kann, ohne dass man ihren Reichtum an Möglichkeiten jemals ausschöpfen wird .Sie bleibt als Instrument und mit ihrem Repertoire eine lebenslange Herausforderung.